Buch heimbringen Erschienen: 13.02.2007
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Christine Schreiber
Die Ethnologin brachte ihr Buch nach Sumatra

„Mir war es schon das Wichtigste, das Buch dorthin zu bringen, so lange meine Adoptiv-Eltern noch leben“, sagt Christine Schreiber. Ihr voriges Jahr erschienenes Buch heißt Sidihoni, wie der See im Hochland der indonesischen Insel Sumatra. Das Buch ist das Ergebnis einer über 15 Jahre verteilten Forschung, in dem es um das Zusammenspiel altreligiöser Sitten, vor allem Bestattungsritualen, mit dem heutigen, modernen Leben und der katholischen Religion geht. Denn das Volk der Batak, das in diesem Teil Sumatras lebt wurde vor gut 140 Jahren christianisiert und zwar ganz bewusst, wie Schreiber sagt: „Die Missionare wollten einen Puffer schaffen, zwischen den streng muslimischen Nord- und Südenden der Insel Sumatra.“

 

Die Wurmlinger Ethnologin forschte in einem abgelegenen Dorf, das nur aus vier Häusern besteht. Sie wurde von einer Familie adoptiert und ist seither Mitglied des Klans. „Der Vater kam vom Reisfeld gelaufen und konnte sich nicht mal umziehen“, erzählt die 47-jährige, in Konstanz geborene Schreiber von ihrer Ankunft im Dorf. „Die Bilder im Buch haben sie sich ganz genau angesehen und wollten von mir wissen, auf welchem Fest dieses und wo genau jenes Bild entstanden ist, Details, über die ich nichts mehr weiß. Die Bilder reichen ja bis 1989 zurück.“

Eine indonesische Journalistin, die sie auf der Reise begleitete, stellte den Kontakt zu einem Dozenten an der protestantischen Universität HKBP Nommensen (die nach einem deutschen Missionar benannt ist) in der Hauptstadt Medan her. Dort empfing sie der Rektor Patar M. Pasaribu, ebenfalls ein Batak, der einst in Köln Brückenbau studierte. Früher, erklärt Schreiber, sei die erste Fremdsprache in den Schulen noch Deutsch gewesen, heute ist es Englisch. „Deshalb leben viele Batak auch in Deutschland oder haben hier studiert.“ Pasaribus Urteil zu Schreibers Buch: „Sie kennt sich in der Historie und in den alltäglichen Details besser aus, als ich.“

Immer wieder sei der Direktor beim Thema Essen hängen geblieben, erzählt sie. Denn das Leibgericht der Batak, das auch rituellen Charakter hat, ist Büffel- oder Schweinefleisch in roher, scharfer Blutsoße. Da waren sich die beiden einig. „Ich liebe das auch“, sagt Schreiber. „Das ist einfach ein irre Essen.“ Der Direktor hatte sich schon einige Gedanken dazu gemacht. „Die Batak“, habe er gesagt, „sind schnell laut und zornig, aber vergessen auch genauso schnell wieder.“ Mit dem Essen sei es ähnlich, denn auch das dürfe man nicht lange stehen lassen. Schreiber solle doch als Nächstes darüber schreiben, schlug er vor. „Das ist heikel“, winkt sie ab, denn da komme man am Thema Kannibalismus nicht vorbei, ein Thema, zu dem einerseits kaum Konkretes in Erfahrung zu bringen sei, das aber bis heute als moderne Schauergeschichte weiter gesponnen werde. „Den Batak selbst ist das Thema ganz peinlich.“

Die Nommensen-Uni verfügt über eine umfangreiche Batak-Bibliothek und dort traf Schreiber zufällig ihre Adoptivschwester, von der sie gar nicht wusste, dass sie mittlerweile Nonne bei den Franziskanerinnen ist und in der Hauptstadt Jura studiert. Schreiber kennt sie noch als kleines Mädchen. „Das war schon eine riesen Freude.“ Mädchen übrigens, erzählt die Ethnologin, müssen in den Klans schwer arbeiten und laufen häufig nur in zerlumpten Kleidern herum. Doch gebe es in der Region gute kirchliche Schulen und einige Universitäten. Bildung sei ein hoher Wert und obwohl es die Mädchen in jungen Jahren häufig sehr schwer haben, dürften auch sie studieren.

Höhepunkt der Reise aber war, laut Schreiber, der Besuch beim Bischof Dr. Anicetus B. Sinaga, auch er ein Batak. Er studierte in Rom und Tübingen, ist gut mit Kardinal Kaspar befreundet und kennt Rottenburg und die Wurmlinger Kapelle von vielen Besuchen. Sie unterhielten sich im Haus des Bischofs auf Deutsch. „Wir haben viel gescherzt und gegrölt vor Lachen. Das lieben die Batak“, sagt Schreiber. Der Bischof habe schmunzelnd gemeint, die Batak und die Schwaben würden gut zusamen passen. „Sie sind direkt und auch etwas laut und herb.“ Nach einer intensiven Fragerunde zum Buch habe er bewundernd festgestellt, wie tief Schreiber doch ins Thema eingedrungen sei.

Wenn die Begeisterung des Bischofs anhält, könnte ihr Buch vielleicht bald in der indonesischen Landessprache erscheinen. Momentan allerdings droht dieses Projekt an den Kosten für eine ordentliche Übersetzung und die Drucklegung zu scheitern, denn die Summe, die der Chef einer kirchlichen Druckerei haben wollte, war astronomisch. Seit der Tsunamihilfe aus Deutschland, sagt Schreiber, „nehmen leider viele an, alle Deutschen seien unglaublich reich“.

Frank Rumpel


Info: Das Buch „Sidihoni – Perle im Herzen Sumatras“ (240 Seiten, mit 257 Farbbildern) ist für  30,- Euro direkt bei Christine Schreiber über die website sidihoni.com erhältlich.

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  >> Sarjana Etnologi ini membawa buku yang telah ditulisnya ke Sumatra (Übersetzung des Artikels ins Bahasa)