Sabine Mark1Von Sabine Reinhardt, M.A.
Kulturwissenschaftlerin, freie Journalistin,
Tübingen

Sidihoni – Perle im Herzen Sumatras  - Zum Jahreswechsel erscheint das Buch mit spannenden Texten und Bildern

Alle, die das Manuskript vorab gelesen haben, waren der Meinung: Mit dem Buch „Sidihoni. Perle im Herzen Sumatras I“ geht die Autorin Christine Schreiber boru Malango ganz neue Wege. Nicht umsonst lautet der Untertitel: „Stationen und Bilder einer Feldforschung“. Denn das Buch, das jetzt zum Jahreswechsel erscheint, ist zugleich ein Stück Lebensgeschichte und ethnologischer Forschungsbericht. Die 257 Farbfotos in 22 Serien ergänzen den spannenden Text nicht nur, sie sind eine Art Bilderbuch über Leben und Riten der Toba-Batak in der Region Sidihoni auf der Insel Samosir im Hochland von Sumatra. Interessant also anzuschauen und zu lesen sowohl für Reisende, Studierende, Entwicklungshelfer, wie auch für in Europa lebende Indonesier und ihre Ehepartner.

 

 „Ja, ich bin verdammt neugierig“, gesteht Christine Schreiber und lacht. „Das war von Anfang an meine wichtigste Antriebskraft, gepaart mit einer gewissen Risikobereitschaft und dem Vertrauen in die Menschen auf der kleinen Insel im Hochland.“ Diese lernte sie bereits als 22jährige bei ihrer ersten langen Südostasien-Reise kennen. Damals war sie vor Beginn ihres Studiums als Rucksackreisende ein Jahr lang allein in Südostasien unterwegs.

Im Mittelpunkt des Buches steht das bäuerliche Leben mit seinen traditionellen Riten und die Rolle der Frauen. Als unverheiratete Forscherin reihte sie sich in den Alltag der Frauen und Mädchen ein, teilte sie mit ihnen Markt- und Kirchgänge, besuchte sie Wöchnerinnen, Feste, Heilungszeremonien und Bestattungen. Nachts zeichnete sie die persönlichen Gespräche und Gedanken in Forschungstagebüchern auf. Diese schrieb sie bei ihren zahlreichen Besuchen über 15 Jahre immer weiter, bis sie einen Umfang von ca. 3.300 Seiten in eng geschriebener Handschrift erreichten. „Ich mußte mich bei diesem Buch sehr einschränken“, erklärt Christine Schreiber, die insgesamt 5 Jahre am Manuskript arbeitete.

Sie erzählt in ihrem Buch nicht nur über die Toba-Batak, sondern auch, wie sich ihre eigene Rolle von der Besucherin und Beobachterin ändert. Die Kontakte werden bei ihrem einjährigen Aufenthalt von 1989 bis 90 immer enger, schließlich wird sie von einer angesehnen Familie adoptiert. „Das ist nichts Ungewöhnliches dort“, erzählt Christine Schreiber. „Ich wurde durch eine traditionelle Zeremonie eine boru Malango, also eine Tochter aus dem Klan der Simalango. Es ist für die Menschen dort wichtig zu wissen, zu welcher Gruppe man gehört.“ Wer nicht zum Klan gehört, bleibt Beobachter und ist vom sozialen Leben ausgeschlossen.

Diese Zugehörigkeit regelt etwa, wann und mit wem die Einzelnen bei Festen tanzen, mit wem sie zusammen essen und welche Gastgeschenke zu erwarten sind. Aus der neugierigen Reisenden, der Studentin, die Material für ihre Magisterarbeit in Ethnologie sammelte, wurde eine Handelnde. Sie nimmt an Großmutters Zweitbestattung 1992 aktiv als Adoptivtochter teil, besucht 1993 andere Batak, die inzwischen in der Metropole Jakarta leben.

Und baut schließlich zusammen mit der Familie ein traditionelles Adat-Haus der verstorbenen Großmutter, einer Schamanin, wieder auf, das auch Gästen aus der Ferne die Kultur und Lebensweise der Batak in Samosir nahe bringen soll. Zur festlichen Einweihung bringt sie eine Gruppe von Interessierten aus Deutschland mit, es kommt zu einer spannenden interkulturellen Begegnung. All diese Erfahrungen fließen in das Buch ein, ebenso der theoretische Hintergrund aus dem Studium der Fächer Ethnologie, Vergleichende Religionswissenschaft und Empirische Kulturwissenschaft (EKW).

Zeitweise hatte sich die Autorin auch überlegt, ob sie das Buch als Doktorarbeit schreiben sollte. „Aber mein EKW-Professor Bernd Jürgen Warneken hat mir davon abgeraten. Ich hätte zu viele Kompromisse eingehen müssen, um den Ansprüchen des Universitätsbetriebes zu genügen.“ Heute ist sie froh darüber, denn sie versteht sich als „frei arbeitende künstlerische Wissenschaftlerin“, der es nicht um Ruhm und Titel geht. Sondern darum, in ihrem ganz eigenen Stil von Land und Leuten zu erzählen.

Das zeigt sich im Untertitel: „Perle im Herzen Sumatras“ – darin spiegelt sich auch ihre eigene Sehnsucht und die ihrer zum Teil ausgewanderten Verwandten wieder, für die die kleine Insel im Vulkankratersee einer der schönsten und kostbarsten Orte der Welt ist. Oder in dem roten Hühnchen auf der Rückseite des Buches. „Das hat mehrere Bedeutungen. Zum einen ist es ein Glückszeichen und ein Opfer- und Orakeltier für SchamanInnen. In der alten, vorchristlichen Religion sind aus Hühnereiern drei Götter geschlüpft. So viele Wissenschaftler schrieben über diese Götter, ich dagegen schaue aufs Hühnchen.“

Also vor allem ein Blick mit den Augen einer Frau in die Kultur der Batak? „Ja, und außerdem bekommen Gäste bei meiner Mama immer ein frisch gefangenes Hühnchen als Ehrenessen“, ergänzt Christine Schreiber. „Dieser weibliche Aspekt der Sache, der fehlt einfach in der Forschung noch sehr.“

Was ist ihr Ziel mit diesem engagierten Buch? Wirtschaftliche Interessen sind es nicht, denn Christine Schreiber arbeitet mit dem kleinen regionalen tb-Verlag aus Tübingen zusammen und hat es auf eigene Kosten in einer Auflage von 700 Stück drucken lassen. „Es soll wirken, was bewegen. Und auch die Menschen ansprechen, über die bisher nur geschrieben wurde. So soll Wissenschaft meiner Meinung nach auch ablaufen.“

Deshalb wird gerade im Internet (www.sidihoni.com) ein Forum mit den Kommentaren zum Buch eingerichtet. Viele in Deutschland lebende Batak haben das Buch bereits vorbestellt. Christine Schreiber freut sich auf eine rege Diskussion von verschiedenen Seiten. Es wäre ihr Traum, eine nächste Auflage in Englisch herauszubringen und eine weitere in der Universalsprache „Bahasa Indonesia“, die heute an allen Schulen des Vielvölkerstaates unterrichtet wird.

Außerdem sollen weitere Bücher in der Edition  blick in kulturen  folgen. Sie möchte nicht nur ihre Tagebuchaufzeichnungen überarbeitet als Teil II herausgeben. Angefragt wurde von verschiedenen Seiten auch ein Handbuch, das kurz und prägnant eine Einführung in die Kultur der Batak gibt. „Dafür interessieren sich zum Beispiel gerade auch Partner und Familien von IndonesierInnen, die im Ausland leben.“

Jetzt ist sie gespannt auf die Reaktionen. Bereits während ihrer Arbeit und durch zahlreiche Vorträge hat sie in Deutschland, Holland und Indonesien viele Menschen kennen gelernt, die an diesem Thema interessiert sind. Sie will sie thematisch zusammenführen und zugleich die Wissenschaft mit ihrer aktuellen und andersartigen Darstellung herausfordern. „Was heutzutage über die Batak geschrieben wird, stammt noch immer aus den Quellen der frühen Missionare, das ist unhaltbar und beschämend, denn es gibt dort keinen Kannibalismus mehr. Mein Buch ist sicher provokant, weil ich mich auf die eigenen Ergebnisse konzentriere und die gängigen, engen Spielregeln der etablierten Wissenschaftler durchbreche.“

Eben dieser offene und spielerische Umgang mit dem Text und Bildmaterial macht den Reiz des Buches „Sidihoni“ aus. Beim durchblättern, lesen und Bilder anschauen kommt die Lust, selbst dort hin zu reisen. Und noch mehr zu erfahren von und über diese Autorin, ihren Klan und ihrer Familie in der Region Sidihoni auf der Insel Samosir, der Perle im Herzen Sumtras.